Sektionen (Stand: September 2017)

I. Literaturwissenschaft

 

Sektion 1

Stimmen und Zeichen: Polyphonie und Subjektivität(en) in der älteren portugiesischen Literatur

Sektionsleitung: Tobias Brandenberger (Göttingen) und Maria Ana Ramos (Zürich)

 

Obwohl das Mittelalter (auch in der Literaturwissenschaft) häufig für eine Epoche homogener Diskurse gehalten wird, bringen die literarischen Texte bei aufmerksamem und sensiblem Hinsehen interessante Partikularitäten und überraschende Abweichungen zum Vorschein.

Mit der Verbreitung der literarischen performance der Troubadoure an den iberischen Höfen rief die Verbindung von Text, Stimme und Gesang ein neues dichterisches Konzept in den lokalen sprachlichen Varietäten wie dem Galicisch-Portugiesischen hervor. Wie entwickelten sich die poetischen Strömungen aus der Provence im Westen der Iberischen Halbinsel, in Galicien und Portugal? Und wie verwandelte sich diese mittelalterliche Produktion hin zu den Texten der (frühen) Renaissance?

Die Formen des Dialogs oder der Kommunikation zwischen Autoren und Texten – seien sie nun harmonisch oder konfliktträchtig – zeigen, dass der Rückgriff auf andere Stimmen, sogar in fremden Sprachen oder in Übersetzung, sich der imitatio, der traductio und der innovatio bedient. Tatsächlich erscheinen nicht selten individuelle Stimmen, die ungewöhnliche oder gegenläufige Sichtweisen artikulieren und kombinierte, mehrstimmige Dispositive hörbar machen. Von den galicisch-portugiesischen cantigas bis zum Theater von Gil Vicente, dem Cancioneiro Geral und der Menina e Moça verleihen Subjektivitäten und Mehrstimmigkeit den Werken ästhetische Eigenheit. Gleichzeitig verweisen sie auch immer wieder auf das Problem der Individualität bei der Autorschaft zurück und werfen grundlegende Fragen auf, etwa nach den diversen Prägungen durch die soziokulturellen und poetologischen Kontexte oder nach der Relevanz plurimedialer Realisierung.

Unsere Sektion nimmt sich vor, die Konstruktion und Pluralität von Stimmen in der älteren portugiesischen Literatur anhand verschiedener Fälle zu untersuchen und dabei besonderes Augenmerk auf die strategischen Verfahren in der literarischen Kreativität zu legen.

Kontakt: 

Prof. Dr. Tobias Brandenberger: tbrande@gwdg.de

PD Dr. Maria Ana Ramos: maramos@rom.uzh.ch

 

  

 

 

Sektion 2

Diskursgemeinschaft oder Singularität? – Das Epos und die intellektuellen Debatten in den lusophonen Kulturen im 19. Jhd.

Sektionsleitung: Roger Friedlein und Marcos Machado Nunes (Bochum)

 

Das Epos ist in den lusophonen Literaturen des 19. Jahrhunderts eine prägende Gattung, über deren Notwendigkeit und Zuschnitt sich in der Romantik und darüber hinaus eine zeitgenössische Debatte entzündet. Die Diskussion um das Epos bildet insbesondere im Brasilien des 19. Jahrhunderts ein Kernstück sowohl des nation building-Diskurses als auch, wie in Portugal, der ästhetischen Innovation. Bekannt ist hier bislang insbesondere die Debatte zwischen José de Alencar und Gonçalves de Magalhães, die sich um den Gattungskonflikt Epos vs. Roman dreht. Obwohl diese Episode zentral für die brasilianische Literatur des 19. Jahrhunderts ist, erschöpft sich die Reflexion und Diskussion über die Gattung und ihre Bedeutung im Kontext der entstehenden Nationalliteraturen nicht mit ihr. Die Debatte besitzt im 19. Jahrhundert bereits eine lange Vorgeschichte; sie bezieht sich nunmehr einerseits auf die romantische und post-romantische Literatur und ist andererseits für die im 19. Jahrhundert beginnende Literaturgeschichtsschreibung und Kanonbildung von großer Bedeutung. Im Rahmen des 12. Deutschen Lusitanistentags möchten wir mit dieser Sektion ein Diskussionsforum schaffen, das den textuellen und diskursiven Horizont auch jenseits der Polemik um A Confederação dos Tamoios erschließt. Obgleich transatlantische Kontakte und Austausche noch zu erforschen sind, möchten wir auf die unterschiedlichen Bedingungen aufmerksam machen, unter denen der metaepische Diskurs sich in beiden Ländern entfaltet: In Brasilien liegt die zentrale Problematik in der Integration der Indianer und der Entstehung der Nation; in Portugal gilt es vielmehr die Beziehung zu berücksichtigen, die die Autoren mit der epischen Gattungstradition seit Camões aufbauen. Trotz dieser Divergenzen formt der metaepische Diskurs im lusophonen Sprachraum des 19. Jahrhunderts eine vielseitige Gesamtheit.

 

Vor dem Hintergrund eines DFG-Forschungsprojekts über die Transformationen des Epos in der Iberoromania des 19. Jahrhunderts, das an der Ruhr-Universität Bochum durchgeführt wird, hoffen wir in Mainz ForscherInnen versammeln zu können, die erörtern wollen, inwiefern das Epos im 19. Jahrhundert zum Reflexionsobjekt wird.

 

Im Rahmen der kulturellen Transformationen der Romantik wirkt das Konzept der literarischen Gattungen zunächst problematisch, denn die Entgrenzung, Verschmelzung oder Auflösung der Gattungskonventionen und -erwartungen gilt als romantischer Regelfall. Im Falle des Epos wird die Tendenz zur Innovation durch die zentrale Position der Gattung in den entstehenden literarischen Kanons aufgewogen, was wiederum Auswirkungen auf den Status der Literatur im kulturellen Kontext der Transformationen auf beiden Seiten des Atlantiks hat. Eine intensive (manchmal auch disperse) Reflexion über das Epos bildet sich heraus, die in so unterschiedlichen Texttypen auftritt wie Paratexten, Literaturgeschichten und -kritik, in der Presse und privaten Schriften (Briefen) sowie im Sinne der Autoreflexivität auch in den literarischen Texten selbst.

 

Am Kreuzweg zwischen Tradition und Innovation sind daher eine Reihe von Themen auszumachen, die in der Sektion des Lusitanistentages diskutiert werden können: Welche Einstellungen gegenüber der epischen Tradition und ihrer möglichen (oder unmöglichen) Transformation und Fortführung zeigen sich in diesen Diskursen? Wie verhalten sich diese Diskurse zur literarischen Praxis? Welche Relevanz wird dem Epos in der Entstehung der kulturellen und literarischen Felder beigemessen? Welche anderen zentralen Themen der Romantik lassen sich auf die Debatte über die epische Dichtung beziehen? Welche Möglichkeiten einer transatlantischen Perspektive bieten die Analyse und Bewertung dieser Diskurse? Welche Konzepte von Autorschaft und ihrem institutionellen Ort werden erkennbar?

 

Kontakt:

Prof. Dr. Roger Friedlein: roger.friedlein@rub.de

Dr. Marcos Machado Nunes: marcos.machadonunes@rub.de

 

 

 

Sektion 3

Stimmen aus dem Jenseits – Polyperspektivismus am Beispiel toter Figuren

Sektionsleitung: Sarah Burnautzki (Mannheim), Ute Hermanns (Berlin), Janek Scholz (Aachen)

 

Der Tod ist zweifellos ein klassisches Thema der Literatur und Literaturwissenschaft. Vom mittelalterlichen Totentanz über den personifizierten Tod als typische Vanitas-Allegorie des Barock hin zur mystischen Todessehnsucht des lyrischen Ichs in der Romantik – nicht zuletzt ist die phantastische Literatur von Geistern, Toten und Wiedergängern bevölkert und aus dem Medium Film ist die Repräsentation von Tod und zum Leben erweckten Toten kaum wegzudenken. Die Faszination für den Tod verbindet die unterschiedlichsten Epochen, Medien, Gattungen und Kulturen und der Tod als äußerste Grenzerfahrung bietet gleichermaßen Anlass zur metaphysischen Sinnfrage wie zu literarischen Transgressionen an der Schwelle zwischen Fiktion und Wirklichkeit.

 

Doch wie verhält es sich mit Überlegungen zum Tod aus narratologischer Perspektive? Welche besonderen Implikationen haben die fiktionale Resurrektion von Figuren und das Erzählen toter Erzähler? Wiederkehrende Tote und tote Erzähler sind bei näherer Betrachtung keine literarische Seltenheit und man findet sie überall im lusophonen Raum. Sie erscheinen in Romanen von José Saramago oder Mia Couto, bei Jorge Eduardo Agualusa oder Machado de Assis, Jorge Amado sowie bei Murilo Rubião, um nur ein paar Autoren zu nennen und treten in Literaturverfilmungen, wie Dona Flor e seus dois maridos (1977) von Bruno Barreto und A morte e a morte de Quincas Berro d’Água (2010) von Sérgio Machado auf, in denen Tote an der Filmhandlung mitwirken. André Klotzels Verfilmung von Memórias Póstumas de Brás Cubas (2001), in dem die tote Hauptfigur ihr Leben als Retrospektive erzählt und aus dem „Jenseits“ kommentiert, zeigt durch die Narrative im Off, wie eng und selbstverständlich Tote mit den Lebenden in Verbindung stehen und mit diesen in einen Dialog treten.

 

Auch die Lebenden suchen den Dialog mit den Toten, warten auf Botschaften aus dem Jenseits oder suchen nach Antworten aus der Zukunft: So gibt es in der brasilianischen Literatur zahlreiche Texte, in denen Protagonisten Halt, Erklärungen oder Handlungsanweisungen im Besuch einer Wahrsagerin suchen. Das Kommunizieren mit den Toten und Lesen in der Zukunft als Rezeptionsakt ist dabei handlungstragend, führt jedoch zumeist nicht zur erhofften Verbesserung der aktuellen Lebensumstände, sondern im Gegenteil, zum Tod der Protagonisten. Dass der Tod der Protagonisten die Narration auf besondere Weise herausfordert, wird auch genreübergreifend deutlich: So erzählen Fábio Moon und Gabriel Bá in ihrer Graphic Novel Daytripper den wiederholten Tod des Protagonisten Brás, der in jedem Kapitel ein anderes Lebensalter erreicht und schaffen auf diese Art und Weise eine Serialität, die von der Todesmotivik getragen wird. Eine Produktion wie Cartas da guerra (2016) von Ivo M. Ferreira nach den Aufzeichnungen António Lobo Antunes D’este viver aqui neste papel descripto – cartas da guerra (2005) widmet sich dem Kolonialkrieg Portugals in Angola, inszeniert den Erzähler als entsetzten Beobachter, hinterlassen in einer Welt, die mit Toten korrespondiert und bezeugt, dass die Aufarbeitung der Vergangenheit in den letzten Jahren eine wichtige Rolle im lusophonen Film gespielt hat.

 

Hatte Barthes im Sinne des Poststrukturalismus den „Tod des Autors“ konstatiert und Foucault dessen romantisch-genialische Aura zur minimalen Autorfunktion im Text reduziert, so wollen wir in dieser Sektion der Frage nach den narratologischen Konsequenzen des „Todes des Erzählers“ sowie der literarischen und filmischen Präsenz toter Handlungsträger oder sogar toter Erzähler nachgehen und diese mit Bachtins Begriff des Polyperspektivismus verknüpfen. Bachtins Überlegungen zum Polyperspektivismus im modernen Roman undogmatisch fortführend werden wir diskutieren, inwiefern der Tod ein verändertes (Selbst)verständnis der Figuren, des Erzählers sowie des Autors zum Ausdruck bringt, was narratologisch nach dem „Tod des Erzählers“ geschieht und in welcher Weise tote, scheintote, untote Figuren und Erzähler in ein möglicherweise konkurrierendes Verhältnis zum Autor oder zu anderen Erzählern treten. Beobachten lässt sich dies beispielsweise in Texten von Clarice Lispector, wo der drohende Tod der Protagonisten zu einem anderen Erzählen anstiftet und der Erzähler nicht nur bewusst in den Vordergrund tritt, sondern auch seine Rolle aktiv reflektiert, was wiederum das poststrukturalistische Diktum vom „Tod des Autors“ in ein neues Licht rückt.

 

In dieser Sektion werden wir der Frage nachgehen inwiefern tote Figuren und Erzähler das realistisch verbürgte referentielle Verhältnis zur Wirklichkeit, aber auch das Verhältnis zwischen Leben und Tod, Poesie bzw. Kunst und Realität herausfordern. Zu welchen besonderen philosophischen Gedankenspielen und metaphysischen Grenzgängen laden uns tote Erzähler und Figuren ein? Welche besonderen kulturellen oder gesellschaftskritischen Stimmen sprechen zu uns aus dem fiktionalen Jenseits? Auch die Repräsentation von Toten aus der Literatur, die im Film zum Leben erweckt werden, verdient im Kontext einer polyperspektivischen Analyse eine besondere Betrachtung. Welche Konsequenzen dies für Literaturverfilmungen und deren Mittel hat, soll untersucht werden.

 

Ausgehend von der Beobachtung, dass sich das narratologische Phänomen des paranormalen und postmortalen Polyperspektivismus in sämtlichen Kulturen des lusophonen Raums beobachten lässt, wollen wir zur medienübergreifenden kultur- und literaturvergleichenden Betrachtung der unterschiedlichen Gestaltungen und Konfigurationen toter Figuren einladen, um zu einem umfassenderen Verständnis des Phänomens zu gelangen.

 

Kontakt: 

Dr. Sarah Burnautzki: burnautzki@phil.uni-mannheim.de

 

 

 

  

Sektion 4

Interkulturelle Polyphonie: der Einbezug von Stimmen und Motiven
anderer Sprachen und Kulturen in die Literaturen der portugiesisch­sprachigen Welt und Galiciens

Sektionsleitung: Axel Schönberger (Bremen) und Rosa Maria Sequeira (Lissabon)

 

Vom Mittelalter bis zur Moderne werden Stimmen und Motive anderer Sprachen und Kulturen in Werke der portugiesischsprachigen Literaturen eingearbeitet. Die griechisch-römische Antike, das hebräische Alte Testament und die ebenso vielsprachige wie vielfältige muslimische Welt bereicherten die Vielstimmigkeit der portugiesischen Literatur seit ihren mittelalterlichen Anfängen. Die großen europäischen Literaturen etwa in französischer, spanischer, italienischer, katalanischer, deutscher, englischer und russischer Sprache kamen hinzu, und das Ausgreifen Portugals auf beinahe alle Kontinente seit dem 15. Jahrhundert führte zu vielfältigen interkulturellen Kontakten in Afrika, Asien und Amerika, die zu einem guten Teil ihren literarischen Niederschlag fanden und finden.

 

Die Vielstimmigkeit der portugiesischen Literaturen kommt zum einen in der Fiktionalisierung historischer Personen, Volksgruppen oder Völker wie beispielsweise der arabischstämmigen Muslime des Mittelalters und der frühen Neuzeit als auch insbesondere fiktiver literarischer Personen aus Werken anderer Literaturen wie etwa Odysseus, König Ödipus oder Don Juan zum Ausdruck, zum anderen in fiktionalisierten oder fiktiven literarischen oder filmischen Darstellungen von Menschen anderer Sprachen und Kulturen, seien es afrikanische Sklaven in der brasilianischen Literatur oder etwa Chinesen in der Literatur Portugals. Wie wenige andere Literaturen haben gerade die portugiesischsprachigen Literaturen Menschen aus aller Welt eine literarische Stimme gegeben und ihre Leserinnen und Leser so mit einer multikulturellen Polyphonie und unterschiedlichen kulturellen Perspektiven vertraut zu machen gesucht. Dabei gehören auch die spanischsprachige Literatur Portugals in der frühen Neuzeit oder die neulateinische Literatur Portugals und Brasiliens zweifelsohne zum Kreis der Literaturen der portugiesischsprachigen Welt, auch wenn sie heutzutage oftmals aus einer unhistorisch einsprachigen Sicht, wie sie im 19. Jahrhundert aufkam, ausgeblendet zu werden pflegen.

 

Die Beiträge der Sektion sollen entweder an einzelnen Werken oder in Form von Überblicksdarstellungen herausarbeiten, wie und mit welchen literarischen Mitteln fiktive oder fiktionalisierte Stimmen und Motive der außerlusitanischen Welt in literarische Werke oder Filme des portugiesischsprachigen Kulturkreises einbezogen und verarbeitet werden.

 

Die Veröffentlichung der Akten erfolgt in Lusorama – Zeitschrift für Lusitanistik.

Kontakt:
Prof. Dr. Axel Schönberger: schoenberger@uni-bremen.de
Prof. Dr. Rosa Maria Sequeira: Rosa.Sequeira@uab.pt

 

 

 

 

II. Sprachwissenschaft

 

Sektion 5

Sprachkontakte im Rahmen der portugiesischen Expansion

Sektionsleitung: Gerda Hassler (Potsdam) und Barbara Schäfer-Prieß (München)

 

Als Seefahrervolk, das im 15. Jahrhundert die atlantische Expansion Europas einleitete, kamen die Portugiesen schon früh in Kontakt mit vielen unterschiedlichen Kulturen und Sprachen. Der sich daraus ergebende Sprachkontakt und seine Konsequenzen sowohl für das Portugiesische als auch für die Kontaktsprachen außereuropäische wie europäische sollen Thema der Sektion sein.

 

Die Sprachkontakte haben Sprachvariation hervorgebracht, die sich heute in Form einer Polyphonie im lusophonen Sprachraum manifestiert und in deren Verlauf es zu verschiedenen Sprachwandelprozessen kam. Diese Vielfalt kann ebenso Gegenstand von Beiträgen zur Sektion sein wie Untersuchungen zu Entlehnungen aus afrikanischen, asiatischen und amerikanischen Sprachen ins Portugiesische und umgekehrt. Willkommen sind ebenso Beiträge zur Missionarslinguistik, zu den Kreolsprachen und zum Kontakt zwischen dem Portugiesischen und anderen, außereuropäischen und europäischen Sprachen in Afrika und Brasilien. Auch für die Gestaltung subjektiver Standpunkte in Texten und Gesprächen können durch Sprachkontakte entstandene Varietäten genutzt werden. Eine solche „fingierte Polyphonie“ soll ebenso Gegenstand der Arbeit der Sektion sein wie die reale Vielfalt der Varietäten und die grammatische Beschreibung des Portugiesischen ausgehend von unterschiedlichen Positionen in Geschichte und Gegenwart.

Kontakt:

Prof. Dr. Gerda Haßler: gerda.hassler@uni-potsdam.de
  

 

 

 

III. Medienwissenschaft / Mídia

 

Sektion 6

Lusophone Klangkulturen: Musik, Stimme und Geräusch im Medienwechsel

Sektionsleitung: Vinicius Mariano de Carvalho (London) und Peter W. Schulze (Bremen)

 

Die portugiesischsprachigen Länder zeichnen sich durch besonders vielfältige auditive Kulturen aus, die sich in zahlreichen Erscheinungsformen manifestieren. Medien spielen hierbei eine zentrale Rolle, nicht nur für die transregionale Verbreitung von Musik, Stimmen und Geräuschen, sondern auch in der Generierung neuer medienspezifischer Klangformen. Während sich vormediale auditive Aufführungen durch eine „Ästhetik der Präsenz“ (E. Fischer-Lichte) kennzeichnen‚ sind durch verschiedene Formen der Medialisierung neue Gattungen entstanden, die jeweils eine spezifische Medienästhetik aufweisen. Die vielfältigen auditiven und audiovisuellen Medienproduktionen haben die traditionellen präsentischen Klangkulturen stark erweitert und verändert.

 

Die Sektion widmet sich den lusophonen Klangkulturen in ihren medienspezifischen Dimensionen. Thematisiert werden sowohl Musik als auch Stimme und Klang wie sie in unterschiedlichen Medien zum Ausdruck kommen – so etwa auf diversen Tonträgern, in Radio, Film und Video sowie im Internet. Von besonderem Interesse sind hierbei medienspezifische Gattungen wie Hörspiel, Funkoper, Filmmusical, Klanginstallation und Videoclip, um nur einige exemplarische Beispiele zu nennen. Die Sektion versteht sich als ein Forum, das unterschiedliche Disziplinen – insbesondere Medien-, Kunst-, Literatur- und Musikwissenschaft – in einen produktiven Dialog bringt, um den vielfältigen und komplexen Erscheinungsformen medialisierter Klangkulturen im portugiesischsprachigen Raum nachzuspüren. Erbeten werden Abstracts, in denen die medienspezifischen Dimensionen auditiver Erscheinungsformen reflektiert werden. Besonders willkommen sind komparatistische Vorträge, die Medienwechsel anhand von Adaptionen thematisieren.

Kontakt:

Dr. Vinicius Mariano de Carvalho: vinicius.carvalho@kcl.ac.uk
Dr. Peter W. Schulze: pschulze@uni-bremen.de

 

 

 

 

 

IV. Übersetzung

 

Sektion 7

Die Stimme der Übersetzung und Stimmen in der Übersetzung: Kontrapunkte und Modalitäten in literarischen, filmischen und künstlerischen Übersetzungen 

Sektionsleitung: Susana Kampff Lages, Johannes Kretschmer (Niterói  Rio de Janeiro) 

 

Unsere Sektion fokussiert die Übersetzung als privilegierten Ort von Ausdruck und Transformation multipler (kultureller) Autor-Stimmen. Die Stimme wird hier als ein Element angesehen, das nicht mit Mündlichkeit gleichgesetzt wird, sondern als Kontrapunkt zur Schriftlichkeit. Dabei wird Stimme nicht als ein Konzept von Mündlichkeit, das einen Gegensatz zu Schriftlichkeit darstellt, verstanden. Obgleich transformiert, ist die Stimme auch in der Schriftlichkeit präsent und kann sich darüber hinaus auch selbst schriftlich konstituieren und auf eine weitere körperliche Dimension verweisen. Dieses polyphone Spiel, das immer wieder von neuem in jedem einzelnen Kunstwerk inszeniert wird, soll Untersuchungsgegenstand anhand von verschiedeneren Formen des Übersetzens sein, sei es die Übersetzung von mündlichen und schriftlichen Texten aus unterschiedlichen Kulturen, sei es die Übertragung literarischer Werke in ein anderes künstlerisches Medium. Dabei gilt es, die Rolle der Alterität hervorzuheben, die jeder stimmlichen Einschreibung innewohnt, ein Element, das im Übersetzungsprozess eine unauslöschliche Spur hinterlässt, die sich immer wieder neu in jede Übersetzung einschreibt.

 

Arbeiten, die den/die Übersetzer/in oder die Übersetzung als Effekt dieses besonderen Spiels von spezifischen räumlichen und zeitlichen Bedingungen beschreiben, sind ebenso willkommen wie Arbeiten, die sich der Analyse prosodischer und rhythmischer Elemente widmen. Dabei wäre es interessant, zu erforschen in welcher Weise Übersetzung und Übertragung in ein anderes Medium operieren und wie sich die Transformation der gesamten Skala von musikalischen Elementen wie Kontrapunkte, Harmonien, Melodien, Rhythmen gestaltet. Im Hinblick auf die Zielsetzung der Veranstaltung sind wir besonders an Arbeiten interessiert, die eine sprachliche und kulturelle Vielfalt ins Auge fassen und sich mit der portugiesischsprachigen Welt und ihren Übersetzungspraktiken sowie der ihnen eingeschriebenen editorischen Praxis beschäftigen.

 

Ebenso willkommen sind Arbeiten, deren Fokus ausgehend von unterschiedlichen phänomenologischen, literarisch-poetischen, kulturell-historischen und anthropologischen Gesichtspunkten auf der konzeptionellen Untersuchung des Phänomens der Stimme liegt, sowie auf der Transformation einer oder mehrerer Stimmen im Übersetzungsprozess ästhetischer Werke.

Kontakt:
Dr. Johannes Kretschmer: johkre@gmx.net
Dr. Susana Kampff Lages:
susanaklages@hotmail.com

 

 

  

 

V. Kulturwisssenschaft

 

Sektion 8

Gekreuzte Blicke: das Post-Gedächtnis des Endes des portugiesischen
Kolonialismus in vergleichender
Perspektive

Sektionsleitung: Margarida Calafate Ribeiro und Júlia Garraio (Coimbra)

 

In den letzten Jahren erlebt Portugal eine wachsende künstlerische Produktion über die portugiesische Kolonialvergangenheit in Afrika und deren Erben in der zeitgenössischen Gesellschaft. Siehe, unter vielen anderen, literarische Texte wie Isabela Figueiredos (geb. 1963) Cadernos de Memórias Coloniais (2009), Dulce Maria Cardosos (geb. 1964) O Retorno (2011), Aida Gomes (geb. 1967) Os Pretos de Pousaflores (2011) und Djaimilia Pereira de Almeidas (geb. 1982) Esse Cabelo (2015); Filme wie Miguel Gomes’ (geb. 1972) Tabu (2012), Ivo Ferreiras (geb. 1975) Cartas da Guerra (2016) und Hugo Vieira da Silvas (geb. 1974) Posto Avançado do Progresso (2016); Vasco Araújos (geb. 1975) Ausstellung Botânica (2014) und das Kulturprogramm der Ausstellung Retornar: Traços de Memória (2015-16). Filipe Melos (geb. 1977) und Juan Cavias‘ Os Vampiros (2016), ein Comic über den Krieg in Guinea-Bissau, erreichte, angesichts des bescheidenen Publikums des Genres in Portugal, eine erstaunliche Medienresonanz. Solche Werke (viele andere könnte man darüber hinaus erwähnen) deuten an, dass die Debatten und die Reflexion über die Erben des Kolonialismus in der zeitgenössischen portugiesischen Gesellschaft von denjenigen geführt werden, die „nachher kamen“, das heißt, von Personen die keine Erinnerungen an die Kolonialzeit oder nur vage Kindheitserinnerungen daran haben.

 

Die Debatten um solche Werke deuten an, dass das Jahr 1974 als Gründungsjahr des demokratischen Portugals durch die Auswirkungen der Kolonialfrage neu bewertet wird. Historische Prozesse, wie die Migrationsströme, die das Ende der portugiesischen Herrschaft in Afrika begleiteten, werden sichtbar gemacht und Themen wie der aus der Kolonialzeit geerbte Rassismus werden angesprochen. Kurzum: Ein postkolonialer Blick auf das zeitgenössische Portugal wird verlangt.

 

Diese thematische Sektion möchte eine komparatistische Perspektive fördern, die in die Debatte um die Erben des portugiesischen Kolonialismus die post-Erinnerungen der Künstler aus den afrikanischen Ländern, die gegen die portugiesische Kolonialherrschaft kämpften, ebenfalls integriert. Was denken die Generationen, die nach 1975 geboren und/oder aufgewachsen sind, über den Gründungsmoment der jeweiligen Nationen? Inwieweit werden die Unabhängigkeitskriege und die Ereignisse, die in der nationalen Befreiung gipfelten, von den jüngeren Generationen benutzt, um individuelle und nationale Identitäten zu hinterfragen und zu skizzieren? Inwieweit verstehen solche Künstler die Konflikte und Bürgerkriege, die die neuen Staaten so stark prägten, als Prozesse, die in dem kolonialen Erbe verwurzelt sind? Wie artikulieren diese Künstler die vergangenen Befreiungskämpfe mit den heutigen Gesellschaften von Angola, Mosambik, den Kap Verden, von Guinea-Bissau sowie São Tomé und Príncipe? Inwieweit werden die postkolonialen Identitäten als Produkt des Kolonialismus und der antikolonialen Kämpfe verstanden?

 

Wir laden herzlich zur Teilnahme an der Sektion „Gekreuzte Blicke: das Post-Gedächtnis des Endes des portugiesischen Kolonialismus in vergleichender Perspektive“ ein. Wir freuen uns über Beiträge, die aus verschiedenen Kunst- und Kulturbereichen (Belletristik, Comics, Theater, bildende Künste, usw.) vergleichende und vielschichtige Analysen des Post-Gedächtnisses und der Erbschaften des portugiesischen Kolonialismus in der Gegenwart anbieten. Untersuchungen, die mehrere Länder ins Blickfeld nehmen, aber auch solche, die sich auf einen engeren geographischen Raum oder einzelne Künstler/Autoren begrenzen, sind willkommen. Wir möchten dazu beitragen, einen Raum von geteiltem Post-Gedächtnis zu fördern, die den Gesellschaften helfen, den Fallen der homogenen und ausgrenzenden Erinnerungen zu entkommen.

 

Diese thematische Sektion entsteht im Rahmen des vom Europäischen Forschungsrat finanzierten Projekts MEMOIRS – Children of Empires and European Post-Memories (ERC Consolidator Grant nº648624; Margarida Calafate Ribeiro).

 

Die Veröffentlichung eines Buches mit Aufsätzen, die im Rahmen der Sektion entstehen, ist geplant.

Konferenzsprachen sind Portugiesisch und Deutsch.

Koontakt:: juliaga@gmail.com zu schicken.

 

 

 

  

Sektion 9

Intellektuelle Netzwerke des 19. Jahrhunderts: ein Panorama der Kulturzeitschriften in Brasilien, Portugal und Afrika

Sektionsleitung: Ricarda Musser (Berlin) und Christoph Müller (Berlin)

 

Im Verlauf des 19. Jahrhunderts entwickelten sich Kulturzeitschriften zu einem lebendigen Medium des Austauschs zu allen Fragen der gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung. Diskussionen über den Stellenwert von Literatur und Übersetzungen bei der Ausbildung einer nationalen und kulturellen Identität waren dabei ein wichtiger Bestandteil, vor allem angesichts so bedeutender Umwälzungen wie der Unabhängigkeit Brasiliens von Portugal 1822, dem Ende des brasilianischen Kaiserreichs 1889 und der Ausrufung der Portugiesischen Republik 1910. Heute sind diese Zeitschriften eine wichtige Quelle nicht nur für die Literatur- und Kulturwissenschaften, sondern auch für die Sozialwissenschaften und die Geschichte.

 

Dabei gilt es einerseits, diejenigen Kulturzeitschriften zu untersuchen, die die gemeinsame Sprache und das gemeinsame kulturelle Erbe der lusophonen Länder in den Vordergrund stellen, wie es auf einen Teil derjenigen Publikationen zutrifft, die im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts auf Portugiesisch in Paris erschienen, oder die Lissabonner Zeitschrift Brasil – Portugal (1899-1914), die bereits in ihrem Titel auf diese Gemeinsamkeiten verweist. Andererseits sollen diejenigen Kulturzeitschriften in den Fokus gerückt werden, in denen sich Brasilien und Portugal in regionalen und überregionalen kulturellen und intellektuellen Netzwerken verorten und hier ihre jeweils eigenen Stimmen finden.

Leitfragen für die Sektionsarbeit sind unter anderem:

 

·       Welche ausländischen Einflüsse auf die Entwicklung der Literatur und Kultur werden in brasilianischen und portugiesischen Kulturzeitschriften des 19. Jahrhunderts deutlich?

 

·       Inwieweit werden Beiträge aus der lusophonen Welt in den Kulturzeitschriften anderer Länder wahrgenommen und diskutiert?

 

·       Welche Themenbereiche dominieren die Diskussion wann und warum?

 

·       Welche Auswirkungen haben die Diskussionen in den Kulturzeitschriften auf literarische Übersetzungen und die Entwicklung des Verlagswesens und des Buchhandels in Brasilien und Portugal?

 

·       Werden bereits in diesem Zeitraum eigene Stimmen aus dem lusophonen Afrika und Asien deutlich und zur Kenntnis genommen?

 

Kontakt:

Dr. Ricarda Musser:              musser@iai.spk-berlin.de
Dr. Christoph Müller: mueller@iai.spk-berlin.de

 

 

 

 

Sektion 10

Transkulturelle Beziehungen: Deutschland und Portugal im Zeitalter der ersten Globalisierung

Sektionsleitung: Yvonne Hendrich (Mainz), Thomas Horst (Lissabon) und Jürgen Pohle (Lissabon)

 

Die überseeischen Expeditionen Portugals und die damit verbundene Verbreitung der portugiesischen Sprache markieren den historischen Beginn eines Globalisierungsprozesses, der einen sich über sämtliche Kontinente erstreckenden und sich durch Heterogenität, Vielstimmigkeit und kulturelle Vielfalt kennzeichnenden lusophonen Raum entstehen lassen sollte. Die transozeanischen portugiesischen Unternehmungen leiteten an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit jedoch nicht nur die gemeinhin als „Entdeckungszeitalter“ bezeichnete Ära der europäischen Expansion ein, sondern wirkten sich auch unmittelbar auf die Genese der deutsch-portugiesischen Beziehungen aus. Je weiter die Erfolge der Portugiesen in Übersee fortschritten, desto mehr rückten Portugal und die überseeischen Gebiete in den Blickwinkel der Deutschen, die mit zunehmendem Interesse Entwicklung und Ergebnisse der portugiesischen Entdeckungen verfolgten. Daraus resultierte seit der Mitte des 15. Jahrhunderts eine beachtliche Verdichtung der deutsch-portugiesischen Kontakte auf politischer, wirtschaftlicher und kultureller Ebene. So bereisten zahlreiche deutsche Diplomaten, Gelehrte, Kaufleute, Handwerker und Abenteuerlustige Portugal und das entstehende portugiesische Kolonialreich. Es kam zu einer Annäherung zwischen den aufstrebenden Königshäusern Habsburg und Avis, die sich in mehreren Heiraten miteinander verbanden, wobei die Eheschließung von D. Leonor von Portugal (1436–1467) mit dem deutschen Kaiser Friedrich III. (1415–1493) im Jahre 1452 den Beginn jener dynastischen Verbindungen darstellt. Die portugiesische Expansion trug entscheidend dazu bei, dass sich die großen oberdeutschen Handelshäuser in den Überseehandel einschalteten, in Lissabon Handelsniederlassungen einrichteten und ihre Bediensteten nach Indien beorderten; sie förderte ferner das humanistische Interesse der deutschen Gelehrten und beeinflusste nicht zuletzt Kunst und Kultur im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation.

 

So waren deutsche Handelsagenten und Reisende an verschiedenen portugiesischen Expeditionsfahrten nach Afrika, Asien und Südamerika beteiligt, worüber Reiseberichte, kartographisches Material sowie der berühmte, um 1492 in Nürnberg angefertigte Behaim-Globus Zeugnis ablegen. Beschleunigt wurde die Zirkulation jener Informationen aus den „Neuen Welten“ innerhalb Europas im Zeitalter der ersten Globalisierung zweifelsohne durch den Buchdruck, der sich auf der Iberischen Halbinsel überwiegend in der Hand deutschstämmiger Typographen befand (vgl. zum Beispiel Valentim Fernandes). Auch auf ikonographischer Ebene fand eine künstlerische Rezeption des Fremden und Exotischen statt, wie einige Holzschnitte und Gemälde Albrecht Dürers und Hans Burgkmairs, aber auch kartographische Zeugnisse belegen.

 

In einer Zeit, in der die überseeische Expansion die bis dato bekannte Welt erfahrbar zu machen und den geographischen Horizont zu erweitern begann, sollte ein Netzwerk von Kaufleuten, Gelehrten, Buchdruckern, Verlegern, Handwerkern und Künstlern aus dem deutschsprachigen Raum – motiviert durch wirtschaftliche Gründe, wissenschaftliches Interesse und Neugier – maßgeblich zum Kulturtransfer und zur Wissensverbreitung über die Nachrichten aus den „Neuen Welten“ zwischen der Iberischen Halbinsel und dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation beitragen:

 

Em suma, os Descobrimentos Portugueses contribuíram não só para que a Europa descobrisse um novo mundo, mas também para que a Europa se descobrisse a si própria. (Marília dos Santos Lopes: “Os descobrimentos portugueses e a Europa”, in: Mathésis 2000: 233-241, p. 234)

 

Die geplante Sektion fokussiert auf die intensiven Verbindungen zwischen Portugal und Deutschland im 15. und 16. Jahrhundert, die interdisziplinär aus unterschiedlichen Blickwinkeln (politisch, wirtschaftlich, soziokulturell etc.) beleuchtet werden sollen. Die Beiträge können sich dabei an folgenden Fragestellungen orientieren:

 

·       Auswirkungen der portugiesischen Expansion auf die Entwicklung der lusophonen Welt

 

·       Berichte und Korrespondenzen über Reisen zwischen Portugal und Deutschland bzw. nach Übersee (Afrika, Asien, Brasilien)

 

·       Wirtschaftliche Motive und die Beteiligung der oberdeutschen Handelshäuser am Überseehandel

 

·       Dynastische Verbindungen zwischen Portugal und Deutschland

 

·       Der Buchdruck und die Informationsverbreitung der Nachrichten aus den „Neuen Welten“

 

·       Kartographische sowie kosmographische Zeugnisse (Karten, Navigationsleitfäden, Globen etc.) und deren Rezeption

 

·       Künstlerische Rezeption und Adaption des „Fremden“ in der Literatur, der Malerei und Bildenden Kunst

 

·       Sammlungen von Exotika und Artefakten (Kunst- und Wunderkammern etc.) als „ars memorativa“

 

·       Philosophische Traktate über Horizonterweiterung und Überwindung tradierter Vorstellungen und Schemata

 

Die Sektionssprachen sind Portugiesisch und Deutsch.

Kontakt:

Dr. Yvonne Hendrich: hendric@uni-mainz.de
Dr. Thomas Horst: thomashorst@gmx.net
Prof. Dr. Jürgen Pohle: jpohle65@gmail.com

 

 

 

 

Sektion 11

Fußball und Politik

Sektionsleitung: Elcio Loureiro Cornelsen (Belo Horizonte) und Marcel Vejmelka (Mainz/Germersheim)

 

Fußball und Politik stehen seit der Entstehung des heute weltweit populären Ballsports in sehr enger und vielfach verschränkter Verbindung. Fokussiert man die von außerordentlicher Fußballbegeisterung gekennzeichnete lusophonen Welt, so ergeben sich höchst interessante Einblicke in die historischen Entwicklungslinien der darin enthaltenen Nationen, Gesellschaften und Kulturen. Ebenso spiegeln sich in aktuellen Konstellationen des Fußballs gesellschaftliche und politische Krisen und Brüche der Gegenwart wider.

 

Fußball war und ist ein Politikum im positiven wie negativen Sinne; die Professionalisierung des Sports im frühen 20. Jahrhundert ließ Konflikte um Klassen- wie Rassenschranken aufbrechen, autoritäre Regime bemühen sich wiederholt darum, diesen Lieblingssport der Massen zu instrumentalisieren und zu ideologisieren, sei es als „Opium fürs Volk“ oder in Gestalt von patriotisch überhöhten Nationalmannschaften. Zugleich war Fußball immer wieder auch Medium politischen Protests und Widerstands und sogar Gegenstand politikphilosophischer Reflexion über „rechten und linken“ Fußball.

 

Auch Politik im weiter gefassten Sinne durchdringt den Fußball und seine Kulturen und kann anhand von historischen wie aktuellen Diskussionen untersucht werden. Beispiele hierfür wären Aspekte wie die „Transferpolitik“ von Vereinen im globalisierten Fußball, die Transformation traditioneller „Helden“ in globale „Idole“ und nicht zuletzt der Konflikt zwischen traditionellen Fans und der fortschreitenden Kommerzialisierung des Spiels.

 

Der Fußball impliziert ein scheinbares Paradox: als Spiel bedarf er keiner Wörter, um seine Bedeutung zu entfalten. Doch seine gesellschaftliche und kulturelle Bedeutung entsteht aus einem komplexen Netz von Stimmen, Aussagen und Diskursen, die ihn umgeben und durchdringen. Der Fußball als “soziales Totalphänomen” (Marcel Mauss) trägt viele Stimmen in sich: die seiner Akteure – Spieler, Trainer, Schiedsrichter usw. −, die des Publikums – der Fans im Allgemeinen, der Fanklubs und Ultras usw. – sowie die der Medien − Radio, Presse, Fernsehen, soziale Netzwerke usw. Diese Stimmen finden auch Ausdruck und Niederschlag in der Literatur, Musik und Kunst.

 

Willkommen sind Vorträge, die den Zusammenhang zwischen Fußball und Politik in der lusophonen Welt aus ihrer jeweiligen fachlichen bzw. aus inter- wie auch transdisziplinärer Perspektive untersuchen. Neben dem Dialog von u.a. kultur-, sprach- und sozialwissenschaftlichen Ansätzen ist ein weiteres Ziel, durch die Gesamtheit der Beiträge einen vergleichenden Blick auf den Fußball in den verschiedenen nationalen wie regionalen Dimensionen der Lusophonie zu ermöglichen. Aufgrund seines transdisziplinären bzw. polyphonischen Charakters bietet der Fußball in seinem Verhältnis zur Politik eine Reihe von Möglichkeiten an, die in der lusophonen Welt potenziert werden, wo es „eine Sprache“ und „viele Stimmen“ gibt.

 

Sektionssprachen sind Portugiesisch und Deutsch.

Kontakt:
Prof. Dr. Elcio Loureiro Cornelsen: emcor@uol.com.br
Dr. Marcel Vejmelka:
vejmelka@uni-mainz.de

  

 

 

 

VI. Fachdidaktik

 

Sektion 12

Varietäten des Portugiesischen im Unterricht an Schule und Hochschule

Leitung: Daniel Reimann (Duisburg-Essen)

 

Das Portugiesische ist im deutschen Bildungssystem nach wie vor eine vernachlässigte Weltsprache (vgl. z.B. Reimann 2014). Die Plurizentrik der portugiesischen Sprache stellt Sprachlehrende dabei vor die Frage und Herausforderung, welche Varietät in ihrem Unterricht überwiegend vermittelt werden soll und wie anderen Varietäten gebührend Rechnung getragen werden kann, um eine Vermittlung des Portugiesischen als Weltsprache mit entsprechenden Gewicht zu erwirken.

 

Gerade in Zeiten eines inter- und transkulturell ausgerichteten Fremdsprachenunterrichts kommt der Einbeziehung diatopischer Varietäten als Grundlage einer Auseinandersetzung mit verschiedenen lusophonen Kulturen besondere Bedeutung zu. Zugleich kann das Bewusstsein über Varietäten innerhalb einer Sprache eine zusätzliche Grundlage für die Entwicklung von Mehrsprachigkeit sein.

 

Vor diesem Hintergrund möchte die Sektion an institutionalisierten Vermittlungsprozessen Beteiligte – Fremdsprachenlehrer/innen und deren Ausbilder/innen, Sprachpraktiker/innen, Fremdsprachenforscher/innen und Linguisten – zusammenführen, um die Plurizentrik oder im Sinne des Rahmenthemas des 12. Deutschen Lusitanistentags „Polyphonie – Eine Sprache, viele Stimmen“ die Polyphonie der Lusophonie aus didaktischer Perspektive zu untersuchen und Möglichkeiten der Vermittlung von Varietäten im schulischen und hochschulischen Portugiesischunterricht zu eruieren.

 

Ansatzpunkte können etwa jüngere varietätenlinguistische Untersuchungen zum Portugiesischen (z.B. Merlan / Schmidt-Radefeldt 2013) wie auch das fremdsprachendidaktische Konzept zumindest einer rezeptiven Varietätenkompetenz, das am Beispiel des Französischen und Spanischen entwickelt und exemplifiziert wurde (vgl. Reimann 2011 und im Druck).

 

Beiträge in dieser Sektion könnten u.a. folgenden Fragen im Rahmen folgender grundsätzlich denkbarer Forschungsparadigmen nachgehen:

 

Theoretisch-konzeptionelle Zugriffe:

 

·       Welche varietalen Eigenheiten innerhalb der Lusophonie sind aus fachdidaktischer und unterrichtspraktischer Perspektive relevant?

 

·       Welche Varietäten verdienen aus welchem Grund besondere Berücksichtigung im Portugiesischunterricht?

 

·       Ist das Konzept einer rezeptiven Varietätenkompetenz für das Portugiesische ausreichend oder sind weitere Konzeptbildungen erforderlich, um der Polyphonie des Portugiesischen Rechnung zu tragen?

 

·       Wie kann ein Curriculum der Varietätenkompetenz für das Portugiesische ausgestaltet werden?

 

·       Welche Rolle spielt die Polyphonie der Lusophonie im Rahmen mehrsprachigkeitsdidaktischer Ansätze?

 

Empirische Zugriffe:

 

·       Welche Varietäten sprechen Lehrende des Portugiesischen im deutschen Sprachraum?

 

·       Welche Varietäten werden von der Wirtschaft nachgefragt?

 

·       Welche Einstellungen entwickeln Lernende zu einzelnen Varietäten der Lusophonie?

 

·       Welche Varietätenkompetenz entwickeln Lernende im aktuellen Portugiesischunterricht?

 

·       Welche varietalen Eigenheiten können von Sprecher/innen anderer Varietäten dekodiert werden? Wie werden sie beurteilt? (perzeptive Varietätenlinguistik)

 

Unterrichtspraktische Zugriffe:

 

·       Welche Unterrichtskonzepte können auf verschiedenen Stufen greifen, um Varietäten zugleich wissenschaftsbasiert und adressatengerecht zu vermitteln?

 Kontakt:
Univ.-Prof. Dr. Daniel Reimann:
daniel.reimann@uni-due.de

 

 

 

 

VII. Interdisziplinäre Sektion

 

Sektion 13

Wasser und Wasserbau im lusophonen Raum

Sektionsleitung: Helmut Siepmann (Aachen), Ineke Phaf-Rheinberger (Berlin), Kurt Schetelig (Aachen)

 

In Memoriam Anne Begenat-Neuschäfer (1953-2017).

 

Wasser ist eine für die Geschichte der Menschheit entscheidende Lebensgrundlage. Die ältesten Kulturen liegen in Oasen des Nahen Ostens und im Zweistromland. Fluss- und Seegötter prägten die Mythen. Wasser ist das wichtigste Nahrungsmittel, Grundlage von Landwirtschaft, Gewerbe und Industrie; es bildet die Voraussetzung für die Entstehung städtischen Lebens und aller urbanen Ballungsräume. Seine verschiedenen Erscheinungsformen (Regen, Tau, Schnee usw.) als Süßwasser in Flüssen und Seen, als Salzwasser der Ozeane haben von früh an Dichter und Maler angeregt, über dieses Gut und seinen Mangel in Trockengebieten oder seinen Überfluss bei Überschwemmungen, auch seine Bedrohung durch Sturmfluten (Sintflut oder Manndränke) nachzudenken. Dies hielten sie vom Alten Testament an in Epen, Gedichten und Romanen fest. Für den lusophonen Raum schaffen die Seefahrt und die Eroberung der Ozeane durch Portugiesen im 15. und 16. Jahrhundert eine grundlegende kulturelle Referenz. Der comércio triangular auf dem Atlantischen Ozean verbindet die Kontinente und prägt für Jahrhunderte die Beziehungen zwischen den betroffenen Völkern. Wasser und seine Wahrnehmung in Literatur und Medien als ambivalentes Element der Verbindung und der Trennung, als Fülle und Mangel, als eigener Energielieferer und als Zerstörer bilden den einen Schwerpunkt unserer Sektion. Polyphon werden hier Texte, Artefakte und Filme aus Portugal, Brasilien und Afrika erfasst, analysiert und aufgearbeitet und in einen Dialog mit den Überlegungen der Wasserbauwissenschaften gestellt.

 

Das Lebenselement Süßwasser ist zugleich Friedensbringer wie Auslöser für kriegerische Konflikte. Es wird heute global als grundlegendes Menschenrecht gefordert, heftige Verteilkämpfe um die Ressource sind bereits im Gange. Im lusophonen Raum liegen mit dem Amazonas, gefolgt vom Kongo, die größten Süßwasservorkommen der Erde (über 25%). Es finden sich aber auch der trockene Sertão im Nordosten Brasiliens oder Mangelgebiete in Mozambik. Wie werden Süßwasserlandschaften in ihrer Einzigartigkeit und in ihrer Bedeutung für Leben und Entwicklung erfasst und gewürdigt, wie wird ihre Verknappung oder ihr Mangel in den portugiesischsprachigen Literaturen dargestellt? Dies bildet einen zweiten Schwerpunkt unserer Sektion.

 

Die Verknappung der Ressource Wasser entsteht durch Abholzung des Regenwaldes, verschwenderischen Umgang, Belastung der Grundwässer, unsachgemäße Entsorgung von Abwässern aller Art. Bekannt ist die extreme Verschmutzung etlicher Meeresbuchten im Raum Rio de Janeiro oder die Belastung vieler Flüsse in Brasilien durch das Quecksilber der Goldsucher; in São Paulo sind die kleinen Wasserläufe durch unsachgemäße Entsorgung zu stinkenden Kloaken in der Stadt geworden; vielfach gilt Ähnliches für Angola und Mozambik. Portugal selbst hat seine Wasserwirtschaft auf einem sehr hohen Stand entwickelt und ist ein Musterbeispiel für einen verantwortungsvollen Umgang mit dieser Ressource. Wie weit ist dies bereits zum Thema in den portugiesischsprachigen Literaturen geworden, auf welche Weise schreibt sich der kulturelle Umgang mit der wichtigsten Lebensressource der Menschheit ein in ein verändertes Verhältnis zur Natur, welche antizipatorische Bedeutung haben Literatur und Kultur in diesem Zusammenhang? Dieser dritte und wichtigste Schwerpunkt unserer Sektion ruft die Wasserbauingenieure auf den Plan, denn nur im Dialog mit ihnen kann die Polyphonie der kulturellen Annäherungen an die Ressource Wasser zu einer Stimme werden, die zu einem nachhaltigen Mentalitätswandel zu führen vermag.

 

Das LNEC (Laboratório Nacional de Engenharia Civil) in Lissabon hat als Wasserbau-Institut wesentliche Grundlagen für den modernen Talsperrenbau geschaffen, die weltweit beachtet wurden. Innerhalb Portugals hat dieses Institut auf verschiedene Weise die Talsperren-Landschaft am Douro und in seinem Einzugsgebiet mit geprägt. Dadurch ist über die Bereitstellung ausreichender Wassermengen eine reiche Kulturlandschaft in der Mitte von Portugal entstanden, deren fruchtbare Wechselwirkungen noch nicht hinreichend betrachtet wurden.

 

In Brasilien hat Itaipú Binacional die grundlegenden Wasserbau-Planungen am Paraná für das seinerzeit weltgrößte Wasserkraftwerk Itaipú durchgeführt. Dort ist es gelungen, ein riesiges Wasserbauvorhaben zu errichten und gut in die Landschaft einzupassen. Es wurde auch für die vielen Arbeitskräfte während der Bauzeit nach der Inbetriebnahme eine gesicherte Beschäftigung und Einkommen geschaffen. Bei Inbetriebnahme des Kraftwerks hatte sich die Stadt Itaipú zu einer Siedlung mit etwa 40.000 Menschen in Arbeit und Brot entwickelt, eine Leistung, die beispielhaft ist und nur an wenigen Punkten in der Welt gelang. Häufig blieben verarmte Geisterstädte zurück. Diese positiven Wechselwirkungen zwischen gelungener Technik, ökologischen und sozialen Belangen und fruchtbaren, gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen sind wohl auch in Brasilien nicht immer ausreichend anerkannt worden.

 

In Afrika sollten ähnliche positive Entwicklungen in Mozambik für die Anlage Cahora Bassa untersucht und ggfs. gefördert werden. Vielleicht kann so für das Mündungsgebiet des Sambesi ein in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht fruchtbarer Anstoß gegeben werden.

 

Wir möchten Wasser in seinen Erscheinungsformen aus unterschiedlichen, interdisziplinären Perspektiven betrachten und so für die kulturanthropologische und ingenieurwissenschaftliche Annäherung Wasser und seine Fülle im wörtlichen wie übertragenen Gebrauch dokumentieren und analysieren, um die Verschränkung wissenschaftlicher Ansätze in Verständnis und Bewahrung des lebenswichtigen Elementes sichtbar zu machen.

 

Kontakt:
Prof. Dr. Ineke Phaf Rheinberger:
phafrhei@cms.hu-berlin.de

 

 

Programmübersicht / Programa

Raum / Sala: P 12 (Philosophicum)

 

 

  

DLV-Nachwuchstreffen

 

Sektion 14

DLV-Nachwuchstreffen

Sektionsleitung: Teresa Pinheiro (Chemnitz) und Robert Stock (Konstanz)

 

Im Rahmen des 12. Deutschen Lusitanistentags wird wieder ein Nachwuchstreffen am Mittwoch, 13.09.2017 von 10:00 bis 16:00 Uhr stattfinden. Das Treffen soll in erster Linie jungen WissenschaftlerInnen die Möglichkeit geben, Teil- oder Endergebnisse ihrer Qualifikationsarbeiten vorzustellen. Darüber hinaus soll es zu einer engeren Vernetzung der Forschung innerhalb der Lusitanistik beitragen, die gerade im Nachwuchsbereich ein großes Innovationspotential aufweist, oft aber in Universitätsarchiven verbleibt. 

 

Der Schwerpunkt des DLV-Nachwuchstreffens liegt auf – abgeschlossenen wie laufenden – Masterarbeiten und Dissertationen; Untersuchungen, die aus Bachelorarbeiten hervorgegangen sind, können jedoch auch berücksichtigt werden, insbesondere wenn hierzu bereits Endergebnisse präsentiert werden können.

 

Die vorzustellenden Arbeiten sollen einen Bezug zur portugiesischsprachigen Welt haben, unabhängig vom Fach. Ob Literatur-, Sprach-, Kultur-, Medien- oder Translationswissenschaft, Fachdidaktik, Soziologie, Ethnologie oder Geschichte – das DLV-Nachwuchstreffen unterstützt explizit den interdisziplinären Dialog aller, die über lusophone Themen forschen.

 

Da das DLV-Nachwuchstreffen nicht mit den Sektionsarbeiten kollidiert, ermutigen wir NachwuchswissenschaftlerInnen ausdrücklich, zusätzlich an den Sektionen – mit oder ohne Vortrag – teilzunehmen.

Kontakt:
Prof. Dr. Teresa Pinheiro: teresa.pinheiro@phil.tu-chemnitz.de
Robert Stock MA: robert.stock@uni-konstanz.de